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Im Rollstuhl den Säntis rauf? Nicht in Amriswil

24. August 2023
Seit drei Jahren arbeiten die Sozialen Dienste der Stadt Amriswil mit Roman Sturzenegger und der RS Integration zusammen. Eine innovative Firma, die Wert darauflegt, die Klienten möglichst schnell in den Arbeitsmarkt einzugliedern.

Wer aus irgendeinem Grund aus dem Arbeitsmarkt scheidet, aus eigener Kraft keine Stelle mehr finden kann und in finanzielle Not gerät, findet bei den Sozialen Diensten der Stadt Amriswil Hilfe. Seit drei Jahren unterstützt Roman Sturzenegger diese bei der Wiedereingliederung der Arbeitssuchenden in den ersten Arbeitsmarkt. 66 Sozialhilfebezügerinnen und Sozialhilfebezüger konnte Sturzenegger in knapp drei Jahren weitervermitteln. «Rund dreiviertel davon haben eine Stelle gefunden, ein weiterer Teil wurde der IV übergeben und ein kleiner Teil ist aus Amriswil weggezogen», erklärt Roman Sturzenegger. Mit seinem Integrationsprogramm «Basis Station» verfolgt er das Ziel, Menschen teilweise oder komplett von der Sozialhilfe abzulösen und durch einen Arbeitsvertrag möglichst schnell wieder in die Arbeitswelt zu integrieren. «Für uns als Stadt natürlich das übergeordnete Ziel vom Programm: Die Klienten so weit zu fördern, dass diese in die Privatwirtschaft vermittelt werden können und sich damit die Sozialhilfegelder reduzieren», ergänzt Stadträtin Daniela Di Nicola. Das Programm von Sturzenegger ist sehr innovativ und bekannt dafür, dass die Klienten meist nach wenigen Wochen wieder arbeiten und auf eigenen Beinen stehen. 

Betreuung von morgens bis abends
In der Basisstation werden 25 Klientinnen und Klienten von neun Teamleiterinnen und Teamleitern an 156 Stunden im Monat während der Arbeit betreut. Diese Begleitung geht deutlich tiefer als die Betreuung in anderen Programmen. «Wir leben praktisch zusammen, essen zusammen, reden viel und bauen so ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis auf», erklärt Sturzenegger. Das sei ohnehin das Wichtigste. «Die Probleme der Klienten haben sich in den letzten drei Jahren stark gewandelt und sind viel komplexer geworden», ergänzt Sturzenegger. Persönliche Schwierigkeiten, Traumata, psychische Probleme. Bevor ein Klient überhaupt wieder arbeiten könnte, gilt es meist tieferliegende Schwierigkeiten zu bewältigen. «Wir haben aus diesem Grund bereits vor einem Jahr eine Traumatherapeutin in unser Team geholt», sagt Sturzenegger. Denn nur wer vertraut, lässt sich überhaupt noch bewegen, weshalb die Beziehungsarbeit heute rund 80 Prozent der Integrationsarbeit ausmacht. 

Arbeiten positiv verknüpfen
Im Vertrag zwischen der Stadt Amriswil und der RS Integration war als Ziel vermerkt, in zwei Jahren 40 Klienten in den Arbeitsmarkt eingliedern zu können. Nach nur neun Monaten war das Ziel erreicht. «Mit ein Grund dafür war, dass wir zu Beginn jene Klienten übernommen haben, die bereits in anderen Programmen waren, eine Tagesstruktur kannten, am Morgen pünktlich erschienen und motiviert waren», so Sturzenegger. Auch bei ihm werden Aufträge ausgeführt. Keine gewinnorientierten, aber arbeiten müssen seine Klienten – und das nach wirtschaftlichen Kriterien. So hat die Basis Station zum Beispiel bereits zum zweiten Mal beim Auf- und Abbau der Marktstände und Zelte des Nachhaltigkeitsmarktes geholfen, hat das Marienhäuschen in Sommeri renoviert, hilft Landwirten bei Feldarbeiten oder räumt Bachbeete auf. Immer muss die Arbeit einen Wert haben, nie aber einen finanziellen. So war der Lohn nach den Arbeiten am Marienhäuschen ein gemeinsamer Grillplausch, zu dem die Gemeinde einlud. «Ich möchte, dass die Verbindung zwischen der Arbeit und der positiven Rückkoppelung wieder hergestellt wird», erklärt er. Heute nicht wissen, wo ich morgen eingesetzt werde. Eine weitere Ungewissheit, die laut Sturzenegger vielen Leuten vermehrt zu schaffen macht. Und genau dieses wirtschaftsnahe Verhalten wird mit den verschiedenen internen und externen Arbeitsbereichen der Basis Station geübt. 

Wo ein Wille ist…
Hoffnungslose Fälle kennt Sturzenegger nicht. «Für jeden gibt es eine Lösung oder einen neuen Einsatz», sagt er. «Die einen, die wollen, werden eine Stelle finden. Jene, die wollen, aufgrund von Einschränkungen aber nicht können, werden in der IV Unterstützung finden und jene die könnten, aber nicht wollen, werden das Sozialgesetz etwas besser kennenlernen», erklärt Sturzenegger. Sowohl für Stadträtin Daniela Di Nicola, für Tamara Sulzberger, Leiterin Soziale Dienste, als auch für Sturzenegger ist klar, dass jeder nur im Bereich seiner Möglichkeiten eingesetzt und gefördert werden kann. «Wir jagen keinen Rollstuhlfahrer den Säntis hoch», sagt Sulzberger. Aber der Wille, etwas zu ändern, muss da sein. Ob dieser schon da ist, erst wieder aufgeweckt werden muss oder unauffindbar bleibt, zeigt sich laut Sturzenegger immer schon nach kurzer Zeit.

Mit der Unterschrift des Arbeitsvertrages haben die Sozialen Dienste und Roman Sturzenegger ihr Ziel, die Klienten möglichst schnell wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, erreicht.
Mit der Unterschrift des Arbeitsvertrages haben die Sozialen Dienste und Roman Sturzenegger ihr Ziel, die Klienten möglichst schnell wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, erreicht.
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