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Einführung von Gewässerraum in Amriswil sorgt für Gesprächsstoff

7. November 2024
Um den Gewässern weiterhin genügend Raum zu bieten, werden neu Gewässerräume festgelegt. Diese bestimmen, in welchen Abständen zu den Gewässern Flächen ohne Einschränkungen bewirtschaftet oder bebaut werden dürfen.

Seit 2011 gelten in der Schweiz neue gesetzliche Vorschriften zum Gewässerschutz. Darin sind auch Bestimmungen zum Gewässerraum festgehalten. Die neuen gesetzlichen Grundlagen, die seit rund 13 Jahren in Kraft sind, verpflichten Kantone und Gemeinden, den Raumbedarf für Gewässer, den sogenannten Gewässerraum, festzulegen. Die Thurgauer Gemeinden müssen den gesetzlichen Auftrag bis Ende 2026 erledigt haben und die grundeigentümerverbindlichen Gewässerräume festlegen. «Wir haben den gesetzlichen Auftrag, den wir als Stadtverwaltung nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen versuchen», erklärt Stadtpräsident Gabriel Macedo im Rahmen des Informationsabend vom vergangenen Montag. «Es ist nicht ganz einfach, diese Balance zu finden, eine qualitätsvolle gesetzliche Arbeit zu leisten und gleichzeitig im Sinne aller Beteiligten möglichst einfach und zurückhaltend zu wirken», so Macedo weiter. Das Sondernutzungsplanverfahren, das bei dieser Ausscheidung angewendet wird, kommt auch bei Gestaltungsplänen oder Baulinienplänen zum Zug. Das Verfahren sieht eine gesetzliche Mitwirkung vor. In diesem Rahmen fand am Montagabend auch die öffentliche Infoveranstaltung statt. «Wir haben ein Interesse daran, alle Grundeigentümer in den Prozess zu integrieren», erklärt Macedo. 

Behördenverbindlicher Raumbedarf
Als Gewässerraum bezeichnet man die Gerinnsohlenbreite eines Fliessgewässers sowie beidseitig eine bestimmte Breite an Uferbereich. Dieser Raum stellt Hochwasserschutzmassnahmen, den Erhalt der Gewässerökologie und die Gewässernutzung sicher. Der 2018 durch den Kanton festgelegte behördenverbindliche Raumbedarf der Gewässer dient dabei als Grundlage für die jetzige grundeigentümerverbindliche Festlegung durch die Gemeinden, die bis Ende 2026 erfolgen muss. Die Gewässerschutzverordnung regelt, wo es Gewässerraum braucht, von welchen Parametern die Grösse abhängt und wie der Gewässerraum bewirtschaftet werden darf. 
Bislang wurde der Einsatz von Dünger, Pflanzenschutzmitteln sowie die Art der Bewirtschaftung und die Bebauung von Uferflächen anhand des Planungs- und Baugesetzes, des Umweltschutzgesetzes und der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV) bestimmt. Demnach durfte bei kleineren Gewässern mit einer Sohlenbreite bis zu 2 m wie dem Grenzbach Muolen oder dem Bach Niederaach zum Beispiel 15 Meter ab Böschung nicht gebaut werden. Drei Meter ab der Böschungungsoberkante durfte kein Dünger - und sechs Meter keine Pflanzenschutzmittel verwendet werden. Neu wird für einen kleinen Bach mit weniger als zwei Metern Gerinnsohlenbreite ein Gewässerraum von elf Metern bestimmt. In diesem Bereich gilt ein generelles Bauverbot und der Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln ist untersagt. Für kleine Gewässer fällt der Gewässerraum jedoch kleiner aus als gemäss bisheriger gesetzlicher Bestimmung. Bei grösseren Gewässern, wie dem Hegibach oder der Aach hingegen, erfolgt im Landwirtschaftsgebiet teilweise eine Bewirtschaftungseinschränkung. 

Bestandesschutz für bestehende Gebäude
Erlaubt ist auf landwirtschaftlich genutzten Flächen im Gewässerraum von offenen Gewässern eine extensive Bewirtschaftung, Dauerkulturen haben Bestandesschutz. Fruchtfolgeflächen werden weiterhin als solche angerechnet und dürfen in Notlagen intensiv bewirtschaftet werden. Die Zuständigkeit bezüglich Unterhalts bleibt unverändert. Für Bauten und Anlagen im Gewässerraum gilt ein generelles Bauverbot. Ausnahmen bilden standortgebundene, im öffentlichen Interesse liegende Anlagen wie Fuss- und Wanderwege, Flusskraftwerke oder Brücken. Bestehende Bauten haben Bestandesschutz, dürfen saniert, allerdings nicht in den Gewässerraum erweitert werden. 

Minimal elf Meter Gewässerraum
Gewässerraum wird entlang offener Fliessgewässer sowie stehender Gewässer im Siedlungs- und Landwirtschaftsgebiet auf dem gesamten Amriswiler Gemeindegebiet ausgeschieden. Im Wald, bei eingedolten Gewässern sowie bei stehenden Gewässern mit einer Fläche von weniger als 0.5 Hektaren oder sehr kleinen Fliessgewässern wird auf einen Gewässerraum verzichtet. Bei Verzicht gelten also weiterhin die Abstände nach Planungs- und Baugesetz. Für Amriswil wird so entlang von rund 25 Kilometern Fliessgewässer Gewässerraum gemäss neuen Bestimmungen ausgeschieden. Dieser wird gesamthaft minimal elf Meter sein, also ab der Gewässerachse gerechnet beidseitig mindestens 5,5 Meter. Aktuell wird geprüft, wo auf bestehende Baulinien, Waldgrenzen, Zonengrenzen, etc. Anpassungen möglich sind. 

Mitwirkung hat begonnen
Für viele Amriswiler Gewässer werden zwischen elf und 14 Meter Gewässerraum ausgeschieden. Entlang des Hegibachs und der Aach wird der Gewässerraum entsprechend der ausgeprägten Sohlenbreite etwas grösser. Die genauen Pläne und Unterlagen können auf der Website amriswil.ch eingesehen und heruntergeladen werden. Eingaben können während der Mitwirkungsfrist vorzugsweise über das offizielle Rückmeldeformular schriftlich an die Stadtverwaltung Amriswil, Arbonerstrasse 2, 8580 Amriswil oder via Mail an silvan.keller@amriswil.ch gesandt werden.

Im Sinne der Grundeigentümer
Stadtpräsident Gabriel Macedo äussert an der Infoveranstaltung vom vergangenen Montagabend grosses Verständnis dafür, dass Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer, die vom Gewässerraum negativ betroffen sind, nicht erfreut sind. Man versuche, den gesetzgeberischen Auftrag, wo immer möglich, auch im Sinne der Grundeigentümer zu erfüllen. Jedoch sei es im Rahmen des Vorprojekts schlicht nicht möglich, jede einzelne Situation, der gesamten Vielzahl an betroffenen Parzellen im Detail für alle perfekt lösen zu können. Daher auch das Mitwirkungsverfahren, so dass sich Grundeigentümer konkret melden können, wenn gewünscht eine Begehung verlangen und vor Ort besprechen, wo allenfalls noch Anpassungen möglich wären. «Wir möchten uns dabei auf jene Fälle beschränken, wo wirklich Bedarf ist. Es bringt schlicht nichts, die rund 25 Kilometer Gewässer abzulaufen», so Macedo. Bis am 13. Dezember können sich Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer nun melden und ihre Bedenken und Inputs schriftlich eingeben. 

Am Montagabend fand die öffentliche Infoveranstaltung zum Thema Gewässerraum statt.
Am Montagabend fand die öffentliche Infoveranstaltung zum Thema Gewässerraum statt.
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