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Den Familien helfen, ihre eigenen Ressourcen wieder zu nutzen

21. August 2025
Mit der «Jugend- und Familienbegleitung» SPF ruft die Stadt Amriswil ein neues Projekt ins Leben, das bei Problemen niederschwellig ansetzen soll, bevor die KESB oder eine Beistandschaft beigezogen werden muss.

Es gibt wohl kaum eine Familie, in der zu jeder Zeit immer alles rund läuft. Oftmals sind es Krankheitsfälle, Schicksalsschläge oder finanzielle Engpässe, die Schwierigkeiten zur Folge haben. Hilfe zu suchen oder auch anzunehmen, ist dann nicht immer einfach. Für Familien, die mit solchen oder ähnlichen Problemen zu kämpfen haben, wenn Eltern überfordert sind, Kinder Auffälligkeiten in der Schule zeigen, es Streit zwischen Jugendlichen und ihren Eltern gibt oder aber einfach eine Sprachbarriere den Alltag erschwert – haben die Sozialen Dienste per Anfang August eine neue Stelle geschaffen. Die Jugend- und Familienbegleitung unterstützt dabei mit alltagspraktischer Hilfe, Beratung bei Erziehungsfragen, Vermittlung in Konfliktsituationen, Begleitung im Alltag, bei Behörden und weiteren Fachstellen sowie mit Unterstützung in akuten Krisensituationen. Das Pilotprojekt Jugend- und Familienbegleitung soll dann greifen, wenn Familien allein nicht mehr weiterkommen und so womöglich den Einsatz eines Beistandes oder der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde zu verhindern.

Dort helfen, wo es etwas bringt
Das Angebot wird von der Stadt Amriswil finanziert und ist in erster Linie für einheimische Familien, Kinder und Jugendliche gedacht. Eingeschaltet werden die beiden Jugend- und Familienbegleiterinnen nicht nur auf Initiative der Familien selbst, sondern auch durch Schulen, Fachstellen oder Behörden, wenn Unterstützungsbedarf besteht. «Wir reagieren auf Hinweise und klären dann von Fall zu Fall ab, wo unsere Unterstützung greift», so Valerie Schweizer, die sich gemeinsam mit Désirée Altherr die Stelle teilt. Diese Hilfe kann unterschiedlich aussehen: von einem beratenden Gespräch, über Begleitung zu Arztterminen oder Elterngesprächen, Unterstützung beim Einkaufen, Vermittlung zwischen Schule und Elternhaus, Hilfe beim Ausfüllen offizieller Dokumente, Förderung einer klaren Alltagsstruktur, bis hin zu begleitenden Elternbesuchen. Das Projekt unterstützt Familien bei Erziehungsfragen, familiären Konflikten, Trennung oder Scheidung der Eltern, Überforderung im Alltag oder bei Behörden, schulischen und sozialen Schwierigkeiten, sowie bei Fragen rund um Migration und Integration und vernetzt sie bei Bedarf mit weiteren Fachstellen. Die Jugend- und Familienbegleiterinnen der SPF helfen neue Perspektiven zu entwickeln und Lösungswege für die Familien zu eröffnen. «Wir setzen unsere Unterstützung genau dort ein, wo Familien sie am dringendsten brauchen», so Schweizer weiter. So soll mit der Jugend- und Familienberatung SPF im Problemfall eine vorgängige Instanz greifen und die Probleme, wenn möglich noch abfangen, bevor eine Beistandschaft oder eine Meldung an die KESB notwendig wird. 

Hilfe in Alltagssituationen
Entstanden ist das Projekt, weil solche Fälle bislang im Auftrag der Stadt Amriswil von externen Anbietern und zu hohen Kosten betreut wurden. Diese waren notwendig, weil in den betroffenen Familien viele Basisprobleme bestehen, welche von den Berufsbeiständen aus zeitlichen Gründen nicht angegangen werden können. Meist geht es dabei um Unterstützung bei einfachsten Alltagssituationen. Die externen Anbieter nahmen sich ebendiesen Problemen an und halfen für eine bestimmte Dauer. Hatte sich alles etwas gefügt, wurden die Aufträge beendet. «Für die Familien bedeutete dies meist, dass sie wieder in alte Muster zurückfallen und sich die Situationen wieder verschlechtert haben. Wir mussten also eine Lösung finden, den Familien wiederkehrend, wenn nötig über eine längere Zeit und stetig helfen zu können», erklärt Tamara Sulzberger, Leiterin Soziale Dienste der Stadt Amriswil. Zudem wurden die Fälle immer mehr, in welchen externe Fachleute eingesetzt werden mussten und die Kosten stiegen demnach immens. 

Pilotprojekt für drei Jahre
In den Städten Rorschach und Wil gibt es bereits ähnliche Projekte. Diese verzeichnen dadurch mehr Erfolg, weniger Kosten, kürzere Wege, schnelleres Handeln, eine mögliche Qualitätskontrolle und die Anzahl an Beistandschaften geht zurück. Das Projekt wird in Amriswil erstmals für drei Jahre laufen. Danach wird entschieden, ob es weitergeführt wird. Die Stelle wird geteilt und von Valerie Schweizer sowie Désirée Altherr zu je 50 Prozent besetzt. 

Niederschwellige Hilfe, die ankommt
Ziel des Projekts ist es, die Familien darin zu unterstützen, ihre eigenen Ressourcen zu erkennen, zu aktivieren und gezielt einzusetzen, um ihre Situation zu stabilisieren oder zu verbessern. Die Jugend- und Familienbegleiterinnen stehen den Familien auf diesem Weg unterstützend zur Seite. «Die Hemmschwelle, sich zu öffnen und über Probleme zu sprechen, ist deutlich geringer, wenn wir die Familien zu Hause besuchen und begleiten, als wenn sie den oft belastenden Weg zum Stadthaus und zu Ämtern antreten müssen», so Schweizer. Die Familie soll dabei aktiv Teil des Weges und der Lösung sein. «Wir kommen nicht, um den Familien vorzuschreiben, was sie tun oder ändern sollen, sondern um gemeinsam Wege zu finden, wie sie ihre Situation selbstständig verbessern können.» Dabei ersetzt das Projekt weder die Haushaltungsspitex noch die Wohnbegleitung der IV und umfasst keine Kinderbetreuung, keinen Fahrdienst oder psychiatrische Betreuung. Abgedeckt wird mit der Jugend- und Familienbegleitung SPF neu jener Bereich, den sonst niemand abdeckt. Das Pilotprojekt soll dabei bewusst agil unterwegs sein. Es geht in erster Linie darum festzustellen, wo und in welchen Bereichen die Stadt Amriswil Angebote der aufsuchenden Sozialarbeit in den Haushalten sinnvoll, zielführend und insbesondere mit präventiver Wirkung selbständig durchführen kann und wo nötigenfalls Partner benötigt werden. Entsprechend soll im Pilotprojekt vieles ausprobiert werden, wobei hinsichtlich einer professionellen sozialen Dienstleistung keine Abstriche gemacht werden dürfen. Kontakt, Beratung und Anmeldung via spf@amriswil.ch oder www.amriswil.ch

Valerie Schweizer (l.) und Désirée Altherr sind seit Anfang August Jugend- und Familienbegleiterinnen.
Valerie Schweizer (l.) und Désirée Altherr sind seit Anfang August Jugend- und Familienbegleiterinnen.
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